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Der Senkgarten von Karl Foerster in Bornim

"Der Morgenblick beim Frühstück in den lichtdurchbadeten blauen Senkgarten mit den Kletterrosenkaskaden ringsum wirkt ähnlich erregend und lösend wie der morgendliche Anblick der offenen See. Eine Blume kann den Garten so beherrschen, wie die neuen Rittersporne dies sieben Wochen lang tun."

Besuchten Sie schon einmal den Senkgarten von Karl Foerster in Bornim? Er selbst ist der Verfasser dieser Beschreibung. Sollten Sie noch nicht dort gewesen sein, lassen Sie sich dieses Erlebnis nicht entgehen. Ich habe das nachzuholen versucht, aber das Wissen um Karl Foerster macht hungrig, man möchte immer mehr davon. Heute weiß ich nicht genau, wen ich mehr verehre, den Schriftsteller oder den Gärtner - beide sind wohl voneinander nicht zu trennen. Dieser von ihm angelegte Garten vor seinem 1911 erbauten Wohnhaus ist eine Oase der Gräser, Blumen, Sträucher und Bäume.

Wenn ich in Bornim bin, eine kurze Rast, zu welcher Jahreszeit auch immer, laß ich mir nicht nehmen. Ein Platz der Ruhe im Einklang mit der Natur. Karl Foerster kann uns nicht mehr begrüßen, jedoch seine Tochter Marianne hat immer ein freundliches Wort für die Besucher. Persönlich habe ich diesen weltberühmten Staudenzüchter, Gartengestalter und Gärtnerpoeten nie kennengelernt. Erst das Buch "Ein Garten der Erinnerung", ein Geschenk meiner Kinder, zeigte mir die Größe dieses Mannes und lehrte mich, die Schönheiten des Werdens und Wachsens noch besser zu erleben. Oft sind es die kleinen Dinge, die uns verzaubern und glücklich machen.

Mit meiner Enkeltochter diesen Spaziergang unternommen, setzen wir uns auf die

weiße Lattenbank am kleinen Gartenteich, links vom roten Ahorn. Ich erzähle von den Lieblingsblumen des Bornimer Gärtners, der blühenden Iris - der Blume der Friedensgöttin -, dem Phlox und dem blauen Rittersporn. Karl Foerster sagte einmal: "Phlox ist eine Welt der Gnade, und ein Garten ohne Phlox ist Wahnsinn." Was soll ich da noch hinzufügen. Mit ihr, meiner Erikeltochter, sie ist seit einem Jahr Mitbesitzerin eines Gartens, wurde ich einig, im nächsten Sommer werden diese Blumenstauden auch auf ihren Beeten im fernen Mecklenburg blühen.

Unser Rückweg führte durch die großen Anlagen der angrenzenden Gärtnerei, wir konnten sehen, hier wird auch heute noch ganz im Sinne des Züchters und Gärtners Karl Foerster fleißig gearbeitet.

(Juni 1997)

Gedanken zur 50. Friedensfahrt

Es war Mai - Himmel und Menschen waren in der Breiten Straße in Potsdam versammelt. Eine große Party zu Beginn der 50. Friedensfahrt. Ein Straßencafé neben dem anderen, herrlicher Sonnenschein und Musik. Auf der Straße die Mannschaften der Friedensfahrt aus vielen Ländern, die sich mit einem Sprint zwischen Zeppelinstraße und Mercure Hotel dem Publikum vorstellten.

Wir bahnten uns den Weg durch die großen Menschenansammlungen, blieben immer wieder am Straßenrand stehen und winkten den Rennfahrern zu. Ein Erlebnis, das wir von früheren Jahren der Friedensfahrt kannten. Dann erklangen aus vielen Lautsprechern Töne von Fanfaren - die Melodie der Friedensfahrt. Lange nicht gehört, doch sofort wiedererkannt. Ich spürte so etwas wie eine Gänsehaut, ein Glücksgefühl aus vergangener Zeit.

Ja, und zu diesen Fanfaren kamen auf der Straße, nicht mehr so jung wie die Sportler davor, doch von allen Zuschauern begeistert begrüßt, "Täve" Schur und viele von seinen alten Friedensfahrtkameraden. Eigentlich fehlte nur noch die Stimme von Heinz Florian Oertel. Das Erklingen der Friedensfahrtmelodie und die strahlenden braunen Gesichter von Gustav Adolf Schur und seinen Mitstreitern aus längst vergangenen Zeiten war wie ein Gruß aus der DDR, meinem Zuhause, wo ich aufgewachsen bin.

Zu Hause bedeutet nicht, daß man unbedingt dorthin zurück will oder daß es nur gut und schön war, aber zu Hause ist Heimat. Nein, die Einheit Deutschlands möchte auch ich nicht rückgängig machen, aber wie sie gekommen ist, findet nicht immer meine Zustimmung. So auch die Verkündung an diesem Abend aus den Medien: "Viele Menschen hatten sich zur Begrüßung der Friedensfahrer in Potsdam eingefunden. Diese Menschen kamen aus eigenem Willen. Keine Partei und Staatsführung hatte sie diesmal hinbeordert."

Nie mußten ich, meine Familienmitglieder oder Arbeitskollegen, Freunde und Bekannte dort hinfahren. Es geschah immer aus Spaß an der Freude an diesem jährlichen sportlichen Ereignis. Und nun diese Meldung aus den Medien an diesem wunderschönen erlebnisreichen Tag. Was weiß denn dieser junge Westreporter von uns, von unserer Vergangenheit? Was geht diese ihn überhaupt an? Wir kramen doch auch nicht in der Vergangenheit der Bundesbürger aus den alten Ländern, aber von unserem vergangenen Leben in der DDR sollen auch sie die Finger, das heißt ihre unqualifizierten Kommentare lassen.

(September 1997)

Bettgeflüster

Die DDR war seit einem Jahr Vergangenheit. Die freie Marktwirtschaft hatte die Planwirtschaft abgelöst. In Verkaufsveranstaltungen auf Kaffeefahrten vermittelten Verkäufer den Ossis, was sie für ihr weiteres Leben als Bürger der Bundesrepublik unbedingt benötigen und anschaffen müssen. Neugierde ließ uns an einer solchen Veranstaltung teilnehmen.

In einem großen Saal, nach stundenlanger Fahrt in Reisebussen, bei Kaffee und Kuchen, zeigten uns zwei Verkäufer, die sich wie Marktschreier benahmen, was wir in den vergangenen 40 Jahren in unseren Betten grundverkehrt gemacht haben. Wir spürten richtig die Gefahren, die vom Nächtigen unter Federbetten ausgehen. Diese Betten beherbergen unheilbare Allergien und andere Krankheiten. Sie seien nicht waschbar, geradezu eine vollkommene Brutstelle für Milben und andere für das menschliche Auge unsichtbare kleine Lebewesen. Bilder, tausendfach vergrößert, machten uns den Ernst der Dinge klar. Ein Horrorfilm wirkt dagegen wie ein Lustspiel. Der bloße Gedanke, am Abend wieder unter so eine Federbettdecke zu schlüpfen, ließ uns erschauern. Es juckte schon am ganzen Körper.

Die jungen Männer hatten ihr Handwerk gelernt. Märchenhaft hatten sie wunderschöne Decken an der Stirnseite des Saales drapiert. Decken und Kissen federleicht, ,waschbar, hygienisch, wissenschaftlich getestet, keine Krankheitsgefahr, ohne -ebewesen im Innern; außerdem hervorragend gegen viele Leiden der heutigen Zivilisation, z. B. Rheuma, Herzrasen, Rückenbeschwerden und vieles mehr. Es fehlte eigentlich nur noch "gegen Schweißfüße". Der Erfolg war nicht zu übersehen. Das Geschäft florierte. Die Leute kauften.

Ein Blick auf meinen Mann sagte mir, es wird nicht gekauft! Wir fuhren ohne neue Betten nach Hause. Allerdings erwarb ich am nächsten Tag im Kaufhaus für einen viel geringeren Preis so ein himmlisches Bett mit Kissen; hellblau, seidig glänzend, ein Gedicht, Ich wollte auch meinen Mann unter so eine Decke bringen, doch er schnarchte weiterhin seelenruhig im Federbett.

Natürlich trennte auch ich mich ein bißchen wehmütig von meinem dicken Gänsefederbett. Hatte ich doch miterlebt, wieviel Arbeit darin steckt. Meine Mutter hatte es nach dem Krieg selbst gemacht, Die Gänse, von uns das ganze Jahr großgezogen, mußten vor dem Weihnachtsfest ihr Leben lassen und wurden sorgfältig gerupft. Im Januar dann lud meine Mutter die Frauen der Nachbarschaft zum Federreißen ein. Nicht eingeladen zu werden, glich gekündigter Freundschaft.

Seit der Anschaffung meines neuen Bettes gingen Jahre ins Land. Unsere Wohnungen sind lange nicht mehr so warm. Alles, was einmal ganz selbstverständlich hingenommen, ist zum Luxus geworden, In diesem Jahr hat uns der Winter spüren lassen, er kann noch verdammt bissig sein. Es kam hin und wieder vor, daß ich mit "Eisbeinen" in der Nacht aufwachte. Es gab schon Augenblicke, in denen ich neidvoll zuschaute, wenn mein Mann unter seinem unhygienischen Federbett verschwand. Doch ich habe jeden Tausch abgelehnt. Mit dem Stolz ist es aber so eine Sache, wenn man im Bett friert. Kälte kann wie Hunger sein und schlägt auf's Gemüt.

Jetzt ist aber alles wieder gut. Ich weiß selbst, was ich brauche. Ich handelte und bin zur Urform der Schlafkultur meiner Vorfahren zurückgekehrt. Ein neues Federbett, von in Kanada gezüchteten freilaufenden Gänsen (so steht es auf dem Etikett), behütet meine Träume. Nun ist es wieder so richtig kuschelig und gemütlich warm im Bett, auch noch bei geöffnetem Fenster.

(Februar 1997)

Episoden vom Glück

Erwin Strittmatter schrieb einmal: "Es durchschwebt den Menschen die Sehnsucht nach Glück. ...alle Dinge, an die wir unser Herz hängen, sind flüchtig, und ihr Wert wandelt sich, und was uns heute beglückt, kann uns weinen machen, ehe der Hahn dreimal krähte."

1. Episode "Zu zweit"

Der Zufall wollte es, daß wir in einer Beratung der Volkssolidarität an einem Tisch saßen. Sie kam etwas verspätet. Gepflegt und attraktiv, wie immer, lauschte sie, wie wir, den Ausführungen der Vorsitzenden. Aber es war da noch etwas anderes, ein Strahlen ging von ihr aus. Ihre Haut war so frisch wie die eines jungen Mädchens, obwohl sie die 60 auch schon überschritten hatte. Eigentlich kannten wir sie sehr reserviert ruhig und einsilbig,

n der Pause erzählte sie uns, daß sie noch schnell einkaufen war: "Zu zweit brauchen wir mehr." Auch von anderen Anschaffungen war die Rede, und immer lag der Schwerpunkt der Erzählung auf "zu zweit". Es war eine Freude, ihren Worten zu auschen.

'Kuchen? Nein, danke! Ich mache eine Fastenkur, bekommt mir gut." Worte waren berflüssig, wir konnten es sehen, Auf unsere Frage: "Leben Sie nicht mehr allein?" am die strahlende Antwort: "Nein, ich habe jetzt einen Lebenspartner". Und wir pürten, es war einfach Glück, nicht mehr allein zu sein.

ergessen das jene, die gemeinsam alt werden, manchmal?

2. Episode "Sieh hinl"

Mit meiner Enkeltochter, 12 Jahre, stand ich an der Straßenbahnhaltestelle. 12 Jahre, ein ziemlich chaotisches Alter und nicht immer leicht zu verstehen. Plötzlich zeigte meine Enkeltochter auf die andere Straßenseite. Dort ging eine alte Dame, etwa 80 Jahre alt, mit einer sehr jungen hüschen Frau. Im Gespräch vertieft, beide lebhaft erzählend, gingen sie langsam ihren Weg. Diese beiden Frauen strahlten eine Vertrautheit und Freude aus, der man sich nicht entziehen konnte. Meine Blicke begleiteten sie weiter. Da sah Katrin, meine Enkeltochter, mich an und sagte: "Omi, sieh hin, das sind wir beide, wenn du alt bist und ich erwachsen bin." Es war ein wunderbarer Augenblick. Ist das nicht ein Grund, alles zu tun, um recht alt zu werden?

Wie sagte Erwin Strittmatter weiter: "Ist nicht gleich, worüber der Mensch glücklich ist? Ist nicht die Hauptsache, daß er's ist? Ist's nicht so, daß dort, wo ein Glücksaugenblick eintritt, kein Raum für Kummer ist?"

(Juli 1996)

Die fliegenden Schuhe

Es war noch fast Nacht. Ruhe im ganzen Haus. Bei Lieschen Müller klingelte der alte Wecker. Sie nahm ihre Brille vom Nachttisch und wollte mit einem Ruck aus dem Bett. Da blieb sie wie erstarrt sitzen - ab heute war sie arbeitslos, sie brauchte nicht aufzustehen, wurde nicht mehr gebraucht, Wie ein Keulenschlag traf sie diese Tatsache. Sie zündete sich eine Zigarette an, nahm die vor dem Bett stehenden Stöckelschuhe und warf sie aus ihrem weitgeöffneten Hochhausfenster.

Es begann die erste Ruhezeit in ihrem arbeitsreichen Leben - es war wie Urlaub und Sterben in einem.

(September 1997)




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