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Weißt du noch?

Dunkelgraue, fast schwarze Wolken türmten sich am Horizont zu einer turbulenten Gebirgslandschaft, und die grünen Zweige des vor dem Fenster stehenden wildwüchsigen Pflaumenbaumes schlugen, vom Wind getrieben, an die Scheiben.

Nur für kurze Augenblicke, wie aus einer anderen Weit, schickte die Sonne hin und wieder ihre Strahlen hinter dieser düstern, ungewöhnlich fesselnden Himmelslandschaft hervor. Wollte sie sagen, warte ab, ich komme wieder? Meine Enkeltochter und ich standen am Fenster, und angesichts des außergewöhnlichen Naturschauspiels entfuhren uns zur gleichen Zeit die Worte: "Weißt du noch?"

Weißt du noch - das lag viele Jahre zurück.

Gemeinsam mit ihren Eltern machten wir Großeltern Urlaub im Allgäu. In Scheidegg, einem kleinen Städtchen unweit des Bodensees, lag unser Feriendomizil, etwas oberhalb des Ortes, mit dem Blick weit übers Land. Einfach Erholung pur.

Eines abends bereiteten wir Frauen gerade das gemeinsame Abendbrot vor, da stürzte mein Sohn mit den Worten in den Raum: "Lasst alles stehen und liegen, ich lade euch zum Essen ein." Nur all zu gern folgten wir eiligst seiner Aufforderung. Wir ahnten, dass er bei seinen kurzen Erkundungsfahrten in der Umgebung sicher etwas für uns Überraschendes gefunden hatte.

Unsere Fahrt führte in den vorabendlichen Wald, auf der einen Seite steil aufstrebende Berge, auf der andern Schluchten und Täler. Wir überfuhren so die Grenze nach Österreich, ohne zu wissen, wohin. Der Entführer lächelte geheimnisvoll.

Eine mitten im Wald gelegene Gaststätte nahm uns auf. Nun gut, vielleicht ließ es sich hier gut essen? Aber warum so viel Aufwand und diese Eile?

Der Ober begrüßte unseren Sohn wie einen Bekannten und führte uns zum einzig freien Tisch auf der Terrasse. Die bereits anwesenden Gäste hantierten mit Fotoapparaten und Videokameras und sprachen nur im Flüsterton. Erst in diesem Moment erahnten wir das Geheimnis. Schon lange hatte ich mir den Anblick eines Sonnenuntergangs am Bodensee gewünscht. Stolz zeigte mein Sohn über die Brüstung der Terrasse. Unser Blick ging weit über die Fläche des Sees.

Es sah aus, als würde sich der blutrote Sonnenball der Erde nähern. Es schien, der Himmel öffne sich und entließ die vielfältigsten Phantasiegebilde, die sich in der Ferne des Firmaments mit den zahlreichen Wolkenbergen dräuend vereinten.

Ein Naturschauspiel, wie ich es vorher nie wahrgenommen hatte, bot sich unseren staunenden Augen dar.

Die sich immer verändernden Wolkengebilde regten die Vorstellungskraft meiner damals dreizehnjährigen Enkelin zu immer neuen Deutungen und Schwärmereien an. Ein unvergesslicher Augenblick, gespiegelt vom in Dunkelheit versinkenden Bodensee. Rund um den See leuchteten bald unzählige blinkende Lichter auf, als hätten sich seine Anwohner zu einem riesigen Lichterfest verabredet.

Inmitten der übrigen Gäste saßen wir noch lange in Gedanken versunken und sannen dem Ereignis nach. Dann ließen wir uns in allerbester Stimmung und Gesellschaft mit Hingabe das Essen munden.

Das ist nun schon so manches Jahr her. Noch immer haben wir jenen unvergesslichen Abend im Allgäu in Erinnerung, der uns hoffentlich noch oft fragen lässt: "Weißt du noch?".

Wie ich einen Fan verstehen lernte

Wie kam ich überhaupt dazu, mich für Fußball beziehungsweise für die Spieler zu interessieren? Mein Mann ist immer wieder erstaunt, wenn ich die Namen der Spieler nenne.

Einst durch meine Söhne veranlasst, Fußballspiele im Fernsehen mit anzusehen, das war wohl der Anfang. Bei vier Söhnen war da bei wichtigen Spielen immer Leben in der Bude, wie man so sagt. Manchmal wackelte die Schrankwand!

Ja, und wenn ich auf diesem Bild in der Zeitung die kräftigen Männerwaden sehe, dann ist alles klar, da steckt Kraft dahinter, doch auch das Kind im Manne kann sich auf dem Fußballplatz so richtig austoben.

Früher hatte ich dann auch richtige Angst, wenn mein jüngster Sohn sein Ränzlein schnürte und zum Wochenende zum Fußball fuhr als Fan. Er war der Meinung, diese Atmosphäre im Stadion kann kein Fernseher der Weit ersetzen.

Erst jetzt, zwanzig Jahre später, habe ich an einem Wochenende richtig begriffen, was er meinte.

Ich war zu einer Großveranstaltung in der Waldbühne in Berlin. Der Geiger Andrè Rieu mit seinem Schauorchester spielte auf. Es war ein Erlebnis besonderer Art. Videos und CDs, die ich mein eigen nenne, waren mir schon vorher ans Herz gewachsen, aber dieses unmittelbare Erlebnis wird mir noch lange in Erinnerung bleiben. Die Gemeinschaft mit gleichgesinnten Liebhabern dieser Musik und natürlich dieses Geigers - ein Mann mit dem ich, wenn ich jung wäre, schon mal mein Taschengeld vernaschen würde - war einmalig.

Jetzt weiß ich, was meinen Sohn in die Fußballstadien trieb: der Genuss, unter Gleichgesinnten zu sein.

Kindergeburtstag

Es war im August 2004. Ich saß bei schönstem Wetter in meiner Gartenecke in meinem Strandkorb - ohne Strand.

Meine Enkelin feierte ihren sechsten Geburtstag mit befreundeten Kindern ihrer Kindergartengruppe. Gerade von einer gemeinsamen Bootsfahrt auf der Havel zurück, tobten sie fröhlich im Garten.

Zum Grillabend kamen auch Erwachsene, Verwandte und Bekannte und brachten Geschenke mit.

Hallo Oma, rief Enkeltochter Sharon von Weitem und kam dann schnell angelaufen, um mir die neu hinzugekommenen Geburtstagsgeschenke zu zeigen, die ich bewundern sollte. "Das sind schöne Sachen und so viele", sagte ich. Sharon antwortete: "Na Omi, als du sechs Jahre alt wurdest, hast du doch bestimmt auch so viele Geschenke bekommen?" "Nein, als ich sechs Jahre alt wurde, war Krieg und im Krieg da war jeder zufrieden, wenn er sich satt essen konnte, keinen Hunger hatte und ruhig schlafen konnte", war meine Erwiderung.

Sharon antwortete nicht und stellte auch keine Fragen mehr. Im Hopseschritt rannte sie zu den anderen Kindern zurück. Ich dachte, sie würde ihren Freunden erzählen, was sie erfahren hatte. Aber hastig, ihre Geschenke beiseite legend, spielte und tobte sie mit ihren kleinen Gästen im Garten weiter.

Erwachsene und Kinder aßen gemeinsam Abendbrot. Eine muntere Gesellschaft. Als alle Gäste sich verabschiedet und den Heimweg angetreten hatten, kam Sharon zu mir. Sie legte liebevoll ihren kleinen Arm um mich, drückte mich, als ob sie mir etwas Gutes tun wollte und fragte: "Hast du wirklich keine Geschenke bekommen zu deinem sechsten Geburtstag, so schlimm ist Krieg?"

Unser Gespräch war nicht vergessen

Wer denkt an die Kinder'?

Jeden Monat teilen die Medien der Bundesrepublik mit, wie hoch die Arbeitslosigkeit im Land ist. Es ist die ganze Zeit immer eine Zahl um die fünf Millionen. Mal tendieren die Angaben nach oben, mal sinken sie etwas unter die Fünfmillionengrenze. Diese Meldungen sorgen dafür, dass ich mich an ein Geschehen vor einigen Jahren erinnere.

Ich lebe im Kreis einer Vier-Generationenfamilie mit Söhnen, Schwiegertöchtern und Enkeln unter einem Dach. Im Moment haben alle Arbeit. Das macht das Zusammenleben angenehmer, wenn auch alle nicht von der Sorge befreit sind, ob dieses Glück auf Dauer anhält.

Schon einmal, es war nach der Wende, war eine der Schwiegertöchter arbeitslos geworden. Um so größer war deshalb ihre Freude, als sie nach längerer Zeit ihrem Mann und ihrer achtjährigen Tochter an einem festlich gedeckten Tisch berichten konnte: "Ich habe wieder Arbeit."

Dabei war die Zeit ihrer Arbeitslosigkeit für die junge Frau anfangs nicht ohne Reiz, beinahe wie Urlaub. Sie verbrachte viel Zeit mit ihrer Tochter und genoss dieses Zusammensein. Doch als dieser sogenannte Urlaub immer länger währte, ohne Aussicht auf eine berufliche Tätigkeit, wie sie es seit ihrem Schulabschluss gewohnt war, und auch finanziell die Luft knapp wurde, sah die Welt ernster aus. Auch die Tochter merkte, dass sich durch die Arbeitslosigkeit der Mutter etwas verändert hatte. Das Taschengeld erlaubte ihr nicht mehr die gewohnte Freizügigkeit. Der Wunsch nach AdidasSchuhen wurde abschlägig beantwortet. Die neue Jeanshose war auch nicht mehr die Markenhose, wie sie Klassenkameraden trugen. Da waren die abwertenden Bemerkungen einiger Mitschüler, die schmerzten.

Und nun diese Mitteilung. "Ich habe wieder Arbeit." Große Freude empfand vor allem ihr Mann, der bemerkt hatte, wie es seine Frau bedrückte, ohne Arbeit zu sein. Die Tochter, die die zweite Klasse besuchte, überlegte eine Weile und fragte dann: "Hast du in deinem neuen Betrieb auch ein Telefon? Kann ich meiner Lehrerin sagen, dass meine Mutti nicht mehr arbeitslos ist?"

Die Achtjährige betrachtete die Arbeitslosigkeit als einen Makel in der Familie. In wie vielen Kinderseelen brennt die Scham darüber? Wie viele Kinder leiden unter der Arbeitslosigkeit ihrer Eltern, wenn es in Deutschland fünf Millionen Arbeitsuchende gibt? Wer denkt an die Kinder, die dazu gehören?




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