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 Die Weihnachtsüberraschung

Es war der 24. Dezember, zwei Jahre nach Kriegsende. Ferdniand brauchte nur einen halben Tag zu arbeiten. Nun war Feierabend Er bestieg die S-Bahn und fuhr in Richtung Stadtnitte. Der Weg nach Hause hätte entgegengesetzt geführt. )och es galt noch eine Besorgung für den Heiligen Abend zu erledigen.In Berlin am Potsdamer Platz angekommen, verließ Ferdinand den unterirdischen Bahnhof in Richtung Westen. Wieder im Tageslicht stehend schaute er sich fragend um, wohin er gehen sollte. Mit vielen verlockenden Angeboten empfing ihn ein großer bunter Markt.Vor einigen Tagen gab es eine erste Prämie für die Arbeit als Schweißer bei der Reichsbahn.Seine Frau und die Schwiegermutter warteten schon voller Ungeduld auf das Geld, um die dringendsten Anschaffungen für den Haushalt und Kleidung für die Kinder vor dem Fest zu kaufen. Alles tat not, waren sie doch erst vor einem Jahr als Umsiedler aus dem Sudetenland in dem kleinen Ort vor den Toren Berlins gelandet, nur mit dem, was sie auf dem Leib hatten und tragen konnten. Und nun diese Heimlichkeit. Frau und Schwiegermutter ahnten nicht, dass er die Prämie schon seit einigen Tagen mit sich herumtrug. Seine Schritte führten ihn nicht zu den Lichtern des Marktes, sondern in den Hintergrund der Verkaufsbuden. Hier florierte der Schwarze Markt. Für ausreichendes Geld bekam man fast alles, man musste jedoch darauf achten, nicht von der Polizei erwischt zu werden.Ferdinand wandte sich den dunklen Gestalten zu und bekam geflüsterte Angebote. Er ging weiter, bis er endlich Erfolg hatte. Seine Prämie wechselte den Besitzer und Ferdinand erhielt dafür einen länglichen Gegenstand, den er in seiner alten, abgewetzten Ledertasche verschwinden ließ. Noch einmal klappte er die Tasche zusammen und drückte sein erworbenes Weihnachtsgeschenk fest an sich.Zuhause angekommen, rief er seine vier Söhne ins Wohnzimmer. Die Buben überlegten, was sie wohl angestellt hatten. Welche Missetat war herausgekommen? Erwartungsvoll schauten sie den Vater an....Mutter und Großmutter standen in der Tür und verfolgten sein Verhalten. Wo war die Prämie?Sie ahnten Schreckliches. Der Vater legte ein großes Holzbrett mit einem ebenso großen Messer auf den Tisch, holte ein langes, frisches, knuspriges Brot aus seiner Tasche und legte es daneben. Ein ganzes Brot!"Das dürft ihr jetzt essen, essen bis ihr satt seid". Die Jungen schauten sich ungläubig an. Essen so viel sie wollen, ohne Einteilung, gab es denn sowas überhaupt? Sie griffen nach den dargebotenen duftenden Brotscheiben. Mutter und Großmutter standen noch immer wie versteinert - jetzt war es Gewissheit, die Prämie war futsch.Als die Großmutter, die im Haushalt für das leibliche Wohl der Familie sorgte, einen Schritt zum Tisch machen wollte, hielt die Mutter sie zurück. Sie war nun auch davon überzeugt, dass der Vater das Richtige getan hatte. Das Glück der Kinder, einmal richtig reinzuhauen, Brot zu essen soviel sie mochten, das war ein ganz besonderes Geschenk.Sie ging zum schon geschmückten Weihnachtsbaum, zündete die Kerzen an und stellte den kleinen Radioempfänger an, aus dem nun Weihnachtslieder erklangen.Das Weihnachtsfest hatte begonnen. Ein ganzes Brot zum Weihnachtsfest!Ferdinand und seine Schwiegermutter leben nicht mehr. Seine Söhne und seine Frau erzählen aber noch heute von dieser so teuren, köstlichen Überraschung.

Dezember 1999

Der Baum und das Mädchen

Auch im Februar hat ein Spaziergang in unseren Kleingarten einen gewissen Reiz. Die ersten Schneeglöckchen, Tulpen und Krokusse recken neugierig ihre Blüten und Blätter, jedoch noch vorsichtig, der Sonne entgegen. Wenn man ein bisschen schnuppert, ist zu spüren, es riecht schon nach Frühling.Ein Blick in den Garten: Alles überragend steht er da, unser Süßkirschenbaum. Seine große Krone, noch blätterlos, lebt von einem genauso großen Wurzelwerk. Ich lege meine Hände auf seinen dicken festen Stamm und frage leise: "Geht es dir gute?'' Ja, ich glaube, die Zweige haben genickt. in wenigen Wochen muss er es schaffen, die kargen Aste mit Leben zu versorgen und Blüten und Blätter zu zaubern. Der Baum leistet schwere Arbeit.Seit vierzehn Jahren wächst dieser Baum auf unserer Parzelle. Die Enkeltochter war erst zwei Monate alt, als der stolze Großvater ihn liebevoll in die Erde setzte. Ein kleiner dünner Stamm, sehr zierlich und empfindlich. So verletzbar wie das kleine Mädchen.Was bei anderen Kindern die Namensgebung oder die Taufe sein mag, wir pflanzten einen Baum. Die ganze Familie feierte im ersten Frühling flirteten Baum und Enkeltochter schon miteinander.Der Wind spielte mit den noch spärlichen Blättern und Blüten des Bäumchens und das Baby im Kinderwagen reckte seine kleinen Hände, noch ungelenk, unter lautem Quietschen hinauf. Beide hatten viel Spaß.Baum und Enkeltochter schossen mit den Jahren in die Höhe, wurden groß und kräftig. Die Zeit verging, der Baum überragte alles. Die alte Laube, die viel älteren Bäume, alles blickt zu ihm auf. Einige Meter im Umkreis wächst nur noch Gras. Die später gepflanzten anderen "Enkel-Bäume" mussten einen Langsamgang einlegen. Er ließ es nicht zu, dass auch sie sich schnell entwickelten, brauchte alle Kräfte aus der Erde für sich. In jedem neuen Frühling überrascht er uns wieder mit einer unsagbar schönen weißen Blütenpracht und danach mit köstlichen roten Kirschen, die Freunden und Verwandten gleichermaßen gut munden. Nun ist er der Größte, spendet uns im Sommer Schutz vor Sonne und Regen, behütet mittags unser Schläfchen, streichelt uns sanft mit seinen Zweigen.Das Aussästen konnten wir noch immer verhindern. Wir denken, ein so schöner Baum kann auch Schmerz und Trauer empfinden, wenn wir ihm wehtun. Jetzt hat die Enkeltochter die langen Zweige hochgebunden, das Problem so gelöst. Ja, und ganz so beherrschend wie in den ersten Jahren ist er auch nicht mehr. Jetzt gibt er auch den anderen Bäumen Raum zum Wachsen. Seine Position ist nicht mehr zu gefährden.Wie der Baum den Garten, hat unsere Enkeltochter uns, ihre Großeltern, vereinnahmt. Wir ließen es nur allzu gerne geschehen.Ein gemeinsames Wachsen zwischen einem Baum und einem Mädchen, es setzt sich fort, und wir haben teil daran.

März 1997

Gelöbnis einer Großmutter

Es ist Frühling und es ist wieder Frieden in Europa. Die NATO hat ihre Luftangriffe auf dem Balkan eingestellt.Die Großmutter und die neun Monate alte Enkelin sitzen auf dem Rasen unter dem Kirschbaum im Garten. Die Kleine zupft an den Halmen.Es sind die ersten Grashalme ihres Lebens, die sie mühselig abgerissen hat. Und diese frischen grünen Halme erhält, mit einem strahlenden Lächeln der kleinen Lady, die Großmutter. Welch ein Geschenk!Sie, die Oma, ist sich dieser Gabe bewusst, schaut dankend in die hellen Kinderaugen und ist glücklich. Die Kleine, wie ein süßer Schelm, blinzelt mit den Äuglein, zieht die Schultern hoch und zeigt ihre leeren Handflächen - als wollte sie sagen: "Mehr hab' ich nicht".Wieviel Verantwortung birgt diese Geste für die Großmutter in sich. Ist es doch in diesem Moment das Wertvollste, was das Mädchen zu verschenken hat. In ihren Augen ist nur grenzenloses Vertrauen zu sehen.Die Ältere nimmt das Baby in die Arme, drückt es an sich und verspricht ihm ganz leise, alles zu tun was in ihrer Macht steht, dass diese Augen immer glänzend und ohne Angst vor Bomben und Krieg bleiben.

Juni 1999

 

Alle Jahre wieder

"Ist der Mai kühl und nass, füllt's den Bauern Scheun' und Fass" - die Kleingärtner hoffen, wie die Bauern, aber mitunter kommt alles anders. Kühl erwünscht, jedoch Frost? Es gibt einen mir sehr vertrauten Menschen, der in jedem Jahr, wenn die Tomatenstauden im Garten ihre ersten Früchte ansetzen, die vollkommensten in Farbe und Größe auswählt und für die Weiterzucht bestimmt. Glück hat er, wenn keine hungrigen Familienmitglieder auf die Idee kommen, ausgerechnet diese Tomaten zu verschlingen. Meist geht es gut.Im Herbst werden aus diesen Tomaten die kleinen Samen herausgelöst, getrocknet und in beschriftete Kaffeefiltertüten gesteckt. Ende Februar kommt die Aussaat. Schön jede Sorte in eine Schale, auf einem Gerüst auf dem Fensterbrett, recht nahe der Sonne. Täglich wird nachgeschaut, ob sich die Pflänzchen zeigen. Die lassen bei guter Pflege nicht lange auf sich warten. Manchmal wird aus der Pflege auch ein Kult, der sich aber immer auszahlt.Die am besten gewachsenen Pflanzen werden pikiert, jede in einen eigenen Blumentopf. Die Wohnung riecht, obwohl noch tiefer Winter ist, nach frischer Erde und macht Hoffnung auf ein schönes Frühjahr. Die Fenster sind bis Mai vollkommen mit den Tomatenpflanzen blockiert. - Weinen oder lachen?Wenn die"Eisheiligen" worüber sind, wird diese kostbare Fracht in den Garten transportiert, nun schon einen halben Meter große Gewächse.In diesem Jahr, Mitte Mai, verkündete der Wetterbericht: "Die Eisheiligen kommen nicht mehr, der Frost ist vorbei". Meine Warnung, nicht voreilig zu pflanzen, wurde in den Wind geschlagen. Wir waren verreist - die Frostnacht kam! Nach unserer Rückkehr ging ich nicht in den Garten. Monatelange Züchtung hatte die eine Nacht vernichtet. Ich dachte mir, vor so einem Scherbenhaufen muss der Gartenfreund allein stehen. Jetzt wachsen neue, gekaufte Tomatenpflanzen der unterschiedlichsten Sorten auf dem Beet. - Alle Jahre wieder - alles beginnt von vorn! Kuriosum - der Züchter isst überhaupt keine Tomaten.

Juni 1997

 

Die Mutprobe

Im letzten Moment vor Abfahrt der Straßenbahn ging die Tür noch einmal auf und herein stolperte ein junges Mädchen. Sie warf sich gleich über die ersten beiden Sitze. Ein richtig schriller Typ, dieses Mädchen.Gelb und grün durchwirkte Haare - hochstehend. In der Hose große ausgefranste Löcher, und der Pullover so kurz, dass der Bauchnabel zur Schau stand. Ein älterer Fahrgast bemerkte laut: "Die Jugend kann sich nicht einmal richtig hinsetzen". Das Mädchen wurde rot im Gesicht, setzte sich ordentlich hin, ohne Widerrede. Diese Reaktion nahm dem alten Mann richtig die Luft. Damit hatte er nicht gerechnet.Das Mächen kramte in ihrer Tasche aus Jeansstoff. Drei in Folie verpackte Bücher kamen zum Vorschein. Sie hatte die Mutprobe bestanden - Bücher geklaut! Die Angst erwischt zu werden war noch immer da. Es war doch aber so wichtig, sie wollte so gerne in die Clique von Hannes, sie musste dazugehören. Er war die große, einmalige Liebe ihres Lebens, so dachte sie. Sie hätte alles für ihn getan, deshalb auch ihr Aufzug. Hannes tat aber so, als bemerke er es nicht. Nun musste sie aussteigen. Hier wollten sich alle treffen, um zu sehen, was sie geklaut hatte.Die anderen Mitglieder der Clique um Hannes, und natürlich er, kamen und begutachteten den Diebstahl. Ja, es reichte. Es waren wertvolle Bücher, die sie hatte mitgehen lassen. "Um 14 Uhr vor der Buchhandlung treffen wir uns, sei pünktlich" waren die Worte von Hannes. Dann verschwand die Gruppe.Das Glück des Mädchens war grenzenlos, sie sollte aufgenommen werden. Immer in der Nähe von Hannes, nur das zählte, dafür hatte sie die Mutprobe gemacht.Jetzt aber wollte sie ihr Gewissen wieder entlasten.. Sie stieg in die nächste Straßenbahn und fuhr zurück. In der Buchhandlung versuchte sie, die Bücher unauffällig an ihren Platz zu stellen. Es war fast geschafft, da stand ein junger Mann neben ihr und sagte: "Darf ich helfen?" Am liebsten wäre sie im Boden versunken. Sie hielt das Buch hin und sagte: "ich habe schon gefunden, was ich suche". Sie schauten sich in die Augen, es funkte. Der junge Mann ging mit zur Kasse und flüsterte: "Um 14 Uhr habe ich Feierabend" - dann verschwand er. Sie bezahlte ihr Buch und verließ den Laden.Um 14 Uhr erschien sie wieder vor der Buchhandlung, ohne bunte Haare, ordentlich gekleidet. Die Gruppe um Hannes erwartete sie schon. Mit einem kurzen "Hallo" ging sie an der Clique vorbei und steuerte zielgerichtet auf den jungen Mann an der Eingangstür zu.Ihre zweite große Liebe, die Liebe auf den ersten Blick begann.Ohne Mutprobe.

Oktober 1997    

 

 

Die Mutprobe

Im letzten Moment vor Abfahrt der Straßenbahn ging die Tür noch einmal auf und herein stolperte ein junges Mädchen. Sie warf sich gleich über die ersten beiden Sitze. Ein richtig schriller Typ, dieses Mädchen.Gelb und grün durchwirkte Haare - hochstehend. In der Hose große ausgefranste Löcher, und der Pullover so kurz, dass der Bauchnabel zur Schau stand. Ein älterer Fahrgast bemerkte laut: "Die Jugend kann sich nicht einmal richtig hinsetzen". Das Mädchen wurde rot im Gesicht, setzte sich ordentlich hin, ohne Widerrede. Diese Reaktion nahm dem alten Mann richtig die Luft. Damit hatte er nicht gerechnet.Das Mächen kramte in ihrer Tasche aus Jeansstoff. Drei in Folie verpackte Bücher kamen zum Vorschein. Sie hatte die Mutprobe bestanden - Bücher geklaut! Die Angst erwischt zu werden war noch immer da. Es war doch aber so wichtig, sie wollte so gerne in die Clique von Hannes, sie musste dazugehören. Er war die große, einmalige Liebe ihres Lebens, so dachte sie. Sie hätte alles für ihn getan, deshalb auch ihr Aufzug. Hannes tat aber so, als bemerke er es nicht. Nun musste sie aussteigen. Hier wollten sich alle treffen, um zu sehen, was sie geklaut hatte.Die anderen Mitglieder der Clique um Hannes, und natürlich er, kamen und begutachteten den Diebstahl. Ja, es reichte. Es waren wertvolle Bücher, die sie hatte mitgehen lassen. "Um 14 Uhr vor der Buchhandlung treffen wir uns, sei pünktlich" waren die Worte von Hannes. Dann verschwand die Gruppe.Das Glück des Mädchens war grenzenlos, sie sollte aufgenommen werden. Immer in der Nähe von Hannes, nur das zählte, dafür hatte sie die Mutprobe gemacht.Jetzt aber wollte sie ihr Gewissen wieder entlasten.. Sie stieg in die nächste Straßenbahn und fuhr zurück. In der Buchhandlung versuchte sie, die Bücher unauffällig an ihren Platz zu stellen. Es war fast geschafft, da stand ein junger Mann neben ihr und sagte: "Darf ich helfen?" Am liebsten wäre sie im Boden versunken. Sie hielt das Buch hin und sagte: "ich habe schon gefunden, was ich suche". Sie schauten sich in die Augen, es funkte. Der junge Mann ging mit zur Kasse und flüsterte: "Um 14 Uhr habe ich Feierabend" - dann verschwand er. Sie bezahlte ihr Buch und verließ den Laden.Um 14 Uhr erschien sie wieder vor der Buchhandlung, ohne bunte Haare, ordentlich gekleidet. Die Gruppe um Hannes erwartete sie schon. Mit einem kurzen "Hallo" ging sie an der Clique vorbei und steuerte zielgerichtet auf den jungen Mann an der Eingangstür zu.Ihre zweite große Liebe, die Liebe auf den ersten Blick begann.Ohne Mutprobe.

Oktober 1997

 

 

 

 

Gemeinsam alt werden ...

Er hat das Haus verlassen.

Sie steht am Fenster - schaut ihm nach.                                           

Er dreht sich um und winkt.

Seine Augen sind trüb.

Er kann sie nicht sehen.

Weiß aber, dass sie dort steht.                                                  

Sie kann schlecht hören -

so teilen sie ihre Sinne.

Gemeinsam alt werden...




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