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Erinnerungen an meinen Großvater

Für mich war mein Großvater ein außergewöhnlicher Mann. In der Weimarer Republik war er der Dorfschulze unseres Ortes, südlich von Berlin. Nach 1933 hieß es dann Bürgermeister. Von Beruf Glaser- und Malermeister, betreute er als Jäger auch das Jagdrevier in unserer Gegend. Die Jagdhunde hatten auf unserem Hof ihre Zwinger und wurden von meiner Mutter versorgt. Ich kann mir heute vorstellen, dass sie nicht immer glücklich war über diese zusätzliche Kocherei für die Meute, es gab ja noch kein „Schappi".

Mein Großvater besaß nach dem Tod meiner Großmutter eine kleine Wohnung, bestehend aus Stube und Küche in der Gemeindeverwaltung. Ganz in der Nähe lag sein großer Garten mit dem ebenerdigen aus Holz gebauten Häuschen. Ein Teil dieses Gebäudes war seine Maler- und Glaserwerkstatt. Ein weiterer Raum war als Atelier ausgebaut, schön getäfelt und nach dem Garten hin alles verglast. An den Wänden standen Regale mit unendlich vielen Pinseln und Malfarben. Ein großer Tisch und eine Staffelei luden zum Malen ein. Hier frönte er seinem Hobby, der Ölmalerei, Die von ihm geschaffenen Bilder fanden nicht nur in seinem Bekanntenkreis

Anerkennung. Das fand auch seinen Ausdruck darin, dass er von Leuten, die seine Arbeiten kannten, gebeten wurde, sich besonders hervorhebende Flächen an ihren Häusern mit einem Wandbild zu verzieren. Ob es heute noch einige dieser Ölbilder gibt?

Ich ging oft heimlich in das Allerheiligste meines Großvaters und stopfte dort seine Pfeife mit Tabak. Tagsüber rauchte er Zigarren. Am Abend bevorzugte er jedoch genüsslich schmauchend seine Pfeife. Wie glücklich war ich immer, wenn er im Kreise der Familie verkündete, in seinem Atelier seien die Heinzelmännchen gewesen und hätten ihm seine Pfeife gestopft. Auf diese Weise zeigte ich ihm meine Zuneigung und kindliche Verehrung.

Großvater beschäftigte sich viel mit seinen Enkeln. So zeigte er uns, wo wir die besten und süßesten Beeren finden konnten, wo die Krause Glucke und andere essbare Pilze wuchsen. Ein besonderes Erlebnis war es für mich, wenn ich mit ihm auf den Hochsitz am Waldrand durfte. Von dort oben die Tiere zu belauschen und die Natur zu beobachten, das gehörte zu den Höhepunkten in meiner Kindheit. Wenn er von seinen Jagdausflügen nach Hause kam und mitgenommene Brote zurückbrachte, durften wir Kinder die Hasenbrote, wie er es nannte, essen, was wir wie eine Auszeichnung empfanden.

Mein Großvater hatte die Gabe, aus ganz einfachen Begebenheiten und Dingen etwas Besonderes zu machen. So gab es, um ein Beispiel zu nennen, immer, wenn der erste Schnee fiel, Bratäpfel, die in der Ofenröhre bruzzelten und ihren Duft im ganzen Haus verbreiteten. Zum Apfelessen in der schummrig beleuchteten Wohnstube gehörte dann immer eine Geschichte, die niemand so gut erzählen konnte wie er. Hatte meine Mutter Waschtag, übernahm Großvater die Zubereitung der Mittagsmahlzeit für die Familie. Er kochte einen herrlichen Erbseneintopf - ein Festessen.

Als der Krieg 1944 / 45 immer schrecklicher wurde, die Bombenangriffe auf Berlin und Umgebung zu jeder Nacht gehörten, zog Großvater zu uns ins Haus. Seine Anwesenheit vermittelte uns ein Gefühl größerer Sicherheit und er konnte in Gefahrensituationen helfen, denn mein Vater war wie fast alle Männer des Dorfes Soldat.

In Großvaters Zimmer stand eine gewaltige Radioanlage mit Lautsprecher. Daneben hing eine große Karte von Deutschland. Anhand dieser Karte und der Luftlagemeldungen lehrte er uns Kinder zu erkennen, ob die anfliegenden westalliierten Flugzeugverbände für unseren Raum gefährlich werden konnten und wie ihre Flugroute verlief

Von meinen Eltern gläubig erzogen, betete ich täglich: Lieber Gott mach, dass der Krieg schnell zu Ende geht, dass Vater gesund nach Hause kommt und dass uns allen nichts Schlimmes widerfährt.«

Meine Gebete blieben ungehört.

Ein tragisches Geschick nahm uns noch, als der Krieg, schon vorbei war, unseren Großvater. Von der Besatzungsmacht wurde er abgeholt und in ein Lager gebracht. Dort ist er nach längerer Krankheit verstorben.

Heute, nun selbst schon mehrfache Großmutter, lebt er noch immer in meinen Gedanken fort, ist er, und bleibt er für mich der Mensch, dem ich viele schöne und mir teure Erinnerungen an meine Kindheit verdanke.

 

 

Urlaub in Cuxhaven

 

Es ist möglicherweise einer der letzte n Sommertage im August, doch der große Kirschbaum, unter dem ich im Liegestuhl ruhe, verliert schon einige gelbe Blätter. Wenn die Sonne hinter den Wolken verschwindet, ist es kühl. Es ist angenehm, zwischen Astern, Phlox und Dahlien zu sitzen.

Erinnerungen an den Urlaub 1998. - Es gab viel Regen und Wind, nur zwischendurch mal ein paar Sonnenstrahlen. Nordseewetter! Denn, zwei Tage vor unserer Abreise meldete der Wetterbericht „Sommer pur", für den ganzen Tag. Alles wird für den Aufenthalt am Strand eingepackt.

Da klingelt das Telefon und unser jüngster Sohn teilt uns mit: „Ich werde heiraten!" Nie wollte er heiraten, aber jetzt, ein paar Tage vor der Geburt seiner Tochter - man weiß ja heute schon vorher, was es wird, Mädchen oder Junge - soll alles seine Ordnung haben. Später noch ein Anruf, „Wir sind verheiratet!" Die junge Frau meldet sich mit unserem Familiennamen. Ein bisschen wehmütig ist mir schon zu Mute - die Beiden ganz allein an so einem besonderen Tag, allein mit der noch ungeborenen Tochter. Ich tröste mich, Hauptsache sie sind glücklich. Wir lassen ihnen einen Blumenstrauß zukommen.

Am Strand angelangt, rekeln sich Mann und unsere große Enkeltochter in ihren gemieteten Strandkörben. Alle Menschen strecken dort ihre Körper der Sonne entgegen. Sie wollen ein wenig Nordseebräune mit nach Hause nehmen.

Es ist Ebbe. -

Allein gehe ich zur Nordsee, um einen kurzen Spaziergang im Watt zu machen, bevor die Flut zurückkommt. Ganz vorsichtig, ich möchte die kleinen Würmer und die

anderen Tiere nicht stören, beschreite ich den Meeresboden, der wie ein Waschbrett

aussieht. Wenn das Wasser bei Ebbe zurück geht, hinterlässt es solch ein wellenartiges Muster. Ich versuchte die von der See zurückgelassenen Brackwassertümpel zu

umgehen, merke aber, wenn ich zufällig hineintrete, dass das Wasser warm und weich meine Füße umspült. Also krempele ich meine Hosenbeine hoch und gehe

hindurch.

Ich wandere der Sonne entgegen, ohne auf die mir begegnenden Menschen zu achten. Ich bin mit meinen Gedanken allein bei meinem jüngsten Sohn, der letzte von unseren vier Jungs, der aus dem Hause ging.

Er, vor wenigen Jahren sehr krank, im Koma, dass kein Arzt ihm eine Zukunft gab, ist nun verheiratet und erwartet seine Tochter, hat eine richtige Familie. Viele Erinnerungen aus unserem gemeinsamen Leben gehen durch meinen Kopf. In meinen Gedanken läuft er ein Stück an meiner Seite durchs Wattenmeer. Zeitweise halte ich meine Augen geschlossen, die Sonne brennt. Öffne ich die Augen vorsichtig, bin ich vom Licht geblendet. Meine Füße werden müde und ich bleibe plötzlich stehen. Erschrocken drehe ich mich um und schaue zurück. Der Strand ist ein heller weißer Streifen am Horizont. Kilometer liegen zwischen uns. Unbewusst bin ich Weder, Wie so oft, in den Sog eines Zieles geraten - der Schnittstelle zwischen Nordsee und Elbe. Ich habe Angst - schaffe ich es noch bis zur Elbe und zurück bis die Flut kommt? Alle meine Gedanken sind überflüssig, meine Füße haben sich schon Wieder in Bewegung gesetzt - der Sonne entgegen.

Glücklich erreiche ich den Steinwall zwischen Elbe und Nordsee, lasse mich fallen, atme bewusst kräftig die Seeluft ein. In der Ferne, nur noch als Strich, das Wahrzeichen von Cuxhaven, die Kugelbarke. Dort müssen alle Schiffe nach Hamburg oder von Hamburg in die Welt vorbei. Bis sich Eibe und Meer vereinigen, fließen beide noch viele Kilometer nebeneinander. Wenn sich die Nordsee bei Ebbe zurückzieht, bleibt der Fluss in seinem Bett. Auf der einen Seite des kleinen Steinwalls ist der fast trockene Meeresboden, auf der anderen Seite der Strom mit den Ozeanriesen und Segelbooten, beinahe zum Anfassen -ein Rätsel unserer Erde.

Nun muss ich zurück, bevor die Flut kommt. Langsam mache ich mich auf den Weg, jetzt die Sonne im Rücken. Menschen begegne ich nicht mehr. Ich werde bestimmt mit Ungeduld am Strand von meinem Mann und unserer Enkeltochter erwartet.

In Erinnerung an meinen Urlaub in Cuxhaven habe ich mich aus unserem Garten in Gedanken entfernt, bin ins Wattenmeer gelaufen. Der leichte Wind hat wohl dazu beigetragen. Tagträume...

Ich schaue auf den rieben mir stehenden Kinderwagen mit meiner ganz lütten neuen Enkeltochter. Bald werden wir ihr zu Ehren hier im Garten einen kleinen Baum

pflanzen. Ja, und ich hoffe, auch mit ihr noch eines Tages, wenn sie groß ist, im Watt von Cuxhaven spazieren gehen zu können.

 

Vatertag

Der Schützenverein des Dorfes hatte im April, es mochte das Jahr 1910 gewesen sein, eine Versammlung.

Wie es Tradition war, sollte festgelegt werden, wie der Vatertag gefeiert und wohin die Landpartie gehen sollte. Diesmal war es aber wie verhext, die Frauen wollten durchaus daran teilhaben. Es mutete wie ein Komplott der Ehefrauen an. Alte Männer waren sich einig - niemals! Der Vatertag ist und bleibt Männersache!

Da stand mein Großvater auf, zwirbelte seinen Bart und sagte-. Warum eigentlich nicht?' Alles hätten die Vereinsbrüder von Paul erwartet, nur das nicht. Nun begann eine heiße Diskussion - und dann stand fest, die Frauen fahren mit. Zwei Bedingungen stellten die Männer- Erstens, die Kinder müssen zu Hause bleiben, und zweitens, die Männer fahren auf einem Wagen und die Frauen auf einem anderen.

Dann war es soweit. Die mit Vielen Birkenzweigen, Flieder und bunten Girlanden geschmückten Wagen standen hintereinandergekoppelt zur Abfahrt bereit. Auf dem Männerwagen hatten drei Musikanten Platz genommen und ein großes Fass Bier war auch auf ihm untergebracht worden. Die Frauen hatten ein Fässchen Limonade auf ihrem Wagen , sollten sie doch am Abend ihre mehr oder weniger angeschlagenen Ehegatten heil nach Hause bringen.

Von Weitem war der Trompetenklang der Begleitmusiker zu hören, die schon seit einer halben Stunde vor der Abfahrt lustige Lieder, manchmal nicht so ganz melodisch, dafür aber laut und kräftig, spielten. Auch Paul und Emma hatten sich auf den Weg gemacht. Großvater und Großmutter waren ein schönes Paar. Er im hellen Anzug mit einer Blume im Knopfloch und einem keck sitzenden Panama-Strohhut hatte seiner Frau kavalliersmäßig den Arm gereicht. Sie ging neben ihm im glänzenden, zartgrün gestreiften Sommer-Sonntagskleid, das Kleid sittsam bis zum Hals geschlossen. Die schönen langen Haare trug sie hochgesteckt. Die Taille geschnürt, enger ging es nicht. Der lange Rock ließ, wenn sie schritt, immer etwas von den vielen weißen Unterröcken hervorblicken. Emma sah wie auch die anderen Frauen am Arme ihrer Männer sehr glücklich aus.

Für jedes Pärchen, das eintraf, gab es einen Tusch. Die Männer halfen ihren Frauen galant beim Aufsteigen auf ihren Wagen, bevor sie sich dann mit Schwung auf ihr Gefährt begaben. Als die letzten Mitglieder des Schützenvereins erschienen, wurden sie schon mit Gesang empfangen. Die Frauen fanden das alles sehr lustig. Wie waren doch ihre Männer so nett.

Ein Ruf vom vorderen Wagen: Es geht los!" Die Pferde vom am Männerwagen zogen an. Muss i denn, muss i denn zum Städtelein hinaus", spielten die Musikanten, .und du mein Schatz bleibst hier!" Beim Ertönen dieser Melodie sahen sich die Männer grinsend an. Einigen konnte man Schadenfreude direkt vom Gesicht ablesen. Der Wagen rollte davon, der der Frauen blieb stehen. Unbemerkt war er von einem der Schützen abgekoppelt worden. Entsetzen bei den Frauen. Welche Enttäuschung! Niedergeschlagenheit bei den einen, Empörung und Wut bei den anderen, je nach Temperament. Zusätzlich galt es noch den Spott vorbeifahrender Ausflügler zu ertragen.

Für die Männer wurde es zunächst einmal ein schöner Tag, dem aber schreckliche Tage im Eheleben folgten.

Allerdings müssen sich Paul und Emma nach einiger Zeit wieder versöhnt haben, denn die Familie vergrößerte sich, was auf diesen Fakt schließen lässt.




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